Zum Konzept der Mentalisierung

„Sich selbst von außen und andere von innen sehen können.“

Dieses Zitat drückt wohl am besten aus, was mit Mentalisierung gemeint ist. Der Begriff Mentalisation stammt aus der französischen Psychoanalyse der 1960er Jahre und bezeichnet die Fähigkeit, körperliche und affektive Erfahrungen in etwas Mentales zu repräsentieren und zu symbolisieren.

Warum ist dieses Konzept in der Psychologie so spannend? Und warum kann es auch für Dich spannend sein?

Mentalisieren betrifft viele Bereiche. Auch im Alltag. Wir mentalisieren, wenn wir neugierig und offen sind und darüber nachdenken, was in uns und in anderen vorgeht und warum wir uns so verhalten, wie wir uns verhalten. Denn hinter dem eigenen und fremden Verhalten wird ein psychischer Prozess vermutet, der das Verhalten erklärbar machen kann. Verhalten kann somit vorhersagbar gemacht werden. Mit anderen Worten: Mentalisierung ist die Fähigkeit, sich innerpsychische, sozial-kognitive Zustände bei sich selbst und bei anderen vorzustellen. Dies ist eine entwicklungspsychologisch erworbene Fähigkeit. Daraus wird auch deutlich, dass die Mentalisierungsfähigkeit bei jedem Menschen sehr individuell ausgeprägt sein kann. Je stärker die Fähigkeit zu mentalisieren ist, desto differenzierter können die Annahmen darüber sein, was in uns selbst und in anderen vorgeht.

Hier kann man sich schon sehr gut vorstellen, wie wichtig das Mentalisieren für unsere Beziehungen z.B. zu unserem Kind, unserem Partner und/oder unseren Freunden sein kann. Denn sich vorstellen zu können, wie es dem Partner geht, wie er eine Situation wahrnimmt und warum er sich in bestimmten Situationen so oder so verhält, zeichnet eine gute Beziehung aus.

Nach den Psychoanalytikern Peter Fonagy und Mary Target ist diese Fähigkeit daher eine Schlüsselfunktion für seelische Gesundheit, sichere Bindung und psychotherapeutische Veränderung.

Wovon hängt es nun ab, wie gut man mentalisieren kann? Diese Frage lässt sich am besten anhand der frühkindlichen Bindungserfahrungen beantworten. Hat das Kind die Bindung zu Mutter und Vater als sicher erlebt? Wie feinfühlig wurde auf die Affekte des Kindes reagiert? Ein Säugling kann seine eigenen Affekte zunächst nur körpernah wahrnehmen. Er weiß noch nicht, dass sein Zittern bedeuten könnte „Mir ist kalt” oder sein Weinen „Ich habe Hunger”. Um das körperliche Selbst des Säuglings auf eine psychische Ebene zu heben, ist daher eine frühe und gelingende Affektspiegelung durch die Hauptbezugspersonen wichtig. Im Idealfall sollte sich das Kind in den Augen der Mutter wiederfinden und über diesen Lernprozess des Spiegelns sich selbst kennenlernen.

Möchtest Du mehr über dieses Thema erfahren? Kürzlich habe ich mit meinem Kollegen Herrn M.Sc., M.A., M.A. Arthur Bohlender über die Ursprünge des Mentalisierens, die Abgrenzung zur Empathie, die Messbarkeit und konkrete Beispiele aus dem klinisch-psychologischen Bereich gesprochen. Höre Dir doch gerne die neueste Folge des PsychoPlausch Podcasts an.

Ich hoffe, Du konntest etwas Neues für Dich mitnehmen.

Bis bald.